Die Leiterin des ARD-Studios Washington, Gudrun Engel, referierte in ihrer Heimat beim LC Madonnenland

Nachfolgend der Bericht über den sehr spannenden Abend, so wie er in der Rhein-Neckar-Zeitung publiziert wurde. Autor: Adrian Brosch

Höpfingen. (adb) Maischberger, Morgenmagazin und Musikscheune: Als Leiterin des ARD-Studios Washington ist Gudrun Engel auch auf „Heimaturlaub“ in Deutschland viel unterwegs. In der Höpfinger Musikscheune gestaltete sie sie – nur rund 600 Meter von ihrem Elternhaus entfernt – einen packenden, inhaltlich hochwertigen Vortragsabend. Auf Einladung des Lions-Clubs Madonnenland war Engel in ihren Heimatort gekommen, um über ihre Arbeit sowie den scheinbar bekannten und doch zu weiten Teilen unbekannten US-Amerikaner zu sprechen.

Nach kurzer Begrüßung durch Präsidentin Gabriele Rösch bedurfte Gudrun Engel kaum einer eigenen Vorstellung: Sie ist in Höpfingen noch gut bekannt – nicht nur durch ihre ersten journalistischen Gehversuche als freie RNZ-Mitarbeiterin. Mit einer spontanen Anekdote über einen ihrer ersten Artikel – ein Fotobericht in Zusammenhang mit Landrat Dr. Achim Brötel, der seinerzeit als frischgewählter Bürgermeister Buchens gewirkt hatte – fand sie sofort den Draht zum Publikum, das aus erster Hand bestens informiert und unterhalten wurde. Kurz erinnerte die 44-Jährige an ihre Vita: Nachdem sie in Dortmund, Göteborg und Kaunas Journalistik und Politikwissenschaften studiert hatte, war sie ab 2006 beim WDR in Köln tätig und betreute vorrangig die „Lokalzeiten“ aus Nordrhein-Westfalen, um von 2019 bis 2022 als Korrespondentin des Brüsseler ARD-Europastudios und ab Juli 2022 als Leiterin des ARD-Studios Washington tätig zu sein. Bei der Einrichtung handelt es sich um das älteste und renommierteste Auslandsstudio der ARD: Es wurde 1952 gegründet und ist Teil des weltumspannenden Korrespondentennetzwerks. Oberster journalistischer Grundsatz sei in der Tat die Vernetzung, was einen örtlichen Wohnsitz verlange: „Für seriöse und kompetente Berichterstattung muss man vor Ort sein. Wer das nicht ist, kennt weder die Kontakte und Ansprechpartner noch die Strukturen“, hob Gudrun Engel hervor, in deren Händen die Verantwortung für rund 50 Mitarbeiter liegt. Aktuell gebe es elf Korrespondenten auf zehn Stellen, die alle ARD-Landesrundfunkanstalten beliefern; entsandt sei man für drei bis fünf Jahre. Die Arbeitsergebnisse der Korrespondenten sieht der deutsche TV-Zuschauer in allen denkbaren Formaten: „Sowohl die Tagesschau als auch Infomagazine wie Weltspiegel und Morgenmagazin werden beliefert – ebenso die Social-Media-Kanäle und derzeit 56 Radiowellen“, informierte Gudrun Engel, deren eigener Schwerpunkt auf Politikberichterstattung liegt.

So gestaltete sie den zweiten Abschnitt ihrer Ausführungen als kleinen wie fundierten Polit-Exkurs in die „Staaten“ mit Seitenblicken auf deren Bewohner und ihre Mentalität – unterlegt von Sequenzen ihres Dokumentarfilms "WTF, USA?! Trump gegen Biden", für den sie Bürger aller politischer Lager getroffen hatte. Eines nahm sie vorweg: „Viele halten sich aufgrund oberflächlicher 'Gemeinsamkeiten' für USA-Experten – aber je länger ich in Washington lebe, umso klarer werden mir die markanten Unterschiede. US-Amerikaner mögen uns auf den ersten Blick vertraut und bekannt vorkommen, treffen viele Entscheidungen aber aufgrund völlig anderer Blickwinkel und Motivationen“, führte Engel aus. Wenn auch Deutschland und die USA ein traditionell enges Transatlantik-Verhältnis zueinander pflegen, gelten völlig andere Lebensprinzipien: „Der US-Amerikaner beruft sich auf persönliche Freiheiten und Autonomie als oberste Prinzipien, während die Deutschen Sicherheit und Struktur verlangen“, schilderte sie. Auch die politischen Probleme unterscheiden sich: „Dass die Präsidentschaftswahlen die Wahl zwischen einem 81-Jährigen und einem 77-jährigen potenziellen Straftäter lassen, frustriert vor allem die 41 Millionen Jungwähler“, merkte Gudrun Engel an. Es sei schwer, junge Wähler zu mobilisieren und für einen Urnengang zugunsten des als besser wahrgenommenen Programms ohne Berücksichtigung der Person zu gewinnen – zumal der (unter Trump seinerzeit niedrigere) Benzinpreis als Indikator für Lebensqualität gelte und die Verdiente Joe Bidens („Bidenomics“) unter den Tisch fallen. „Es ist für Biden schwer, seine Inhalte zu erklären. Gleichzeitig sind sicher geglaubte Bastionen der Demokraten heuer keine verlässliche Stütze – muslimische Einwanderer etwa hadern mit dem Gaza-Krieg, Afroamerikaner fühlen sich von der Regierung oft im Stich gelassen“, hob die Landeskennerin hervor. Andererseits seien auch die US-Republikaner tief gespalten: „In den Vereinigten Staaten fehlt es überall an der Bereitschaft zu Kompromissen“, ließ sie wissen und prognostizierte eine „sehr enge Wahl“, die von fünf bis sechs „Swing States“ entschieden werden dürfte. „55 bis 72 Wahlmännerstimmen werden am Ende maßgebend sein“, vermutete Gudrun Engel.

Nicht minder lebhaft gestaltete sich die Fragerunde. Sowohl die deutsch-amerikanischen Beziehungen als auch Joe Biden und Donald Trump erwiesen sich als Themen, die den Zuhörern am Herzen lagen. Hier bezeichnete Gudrun Engel den 81-jährigen Joe Biden als „letzten großen Transatlantiker“ und äußerte die Vermutung, dass die USA sich künftig mehr in den pazifischen Raum ausrichten denn nach Europa. Dennoch seien Europa und auch Deutschland „trotz moralischer Fragen von den USA abhängig“ - zu lange habe man sich darauf verlassen, in den USA einen verlässlichen und treuen Partner zu haben. Joe Biden, an dessen Seite Gudrun Engel einige Male gearbeitet hatte, attestierte sie „einen sehr klaren Verstand und große Verdienste“. Vermutlich habe er keine weitere Kandidatur angestrebt, stehe aber seit Trumps Interesse unter Zugzwang. „Er hat ein loyales Beraterteam, doch sind auch seine Kräfte endlich“, hielt Engel abschließend fest.

Moderiert wurde der Abend von Past-Distrikt Governor (PDG) Jürgen Schell, der als Höpfinger fast ein Heimspiel hatte: Charismatisch und gewitzt pflegte er den Dialog zum Publikum im Ganzen und zu Gudrun Engel im Speziellen, stellte die Arbeit und das Bestreben der weltweit 1,4 Millionen „Lions“ vor und schilderte das Zustandekommen des Abends – nachdem der Lions-Club Madonnenland bereits seit 2004 jährlich die von Ingrid und Wolfgang Engel geleitete und dereinst von Rudolf Engel begründete Höpfinger Gemeindebibliothek unterstützt, ergab sich der Kontakt zu Gudrun Engel auf persönlicher Ebene – schließlich sind die Wege im Odenwald auch dann kurz, wenn sie auf Umwegen nach Washington führen…

Info: Der Film "WTF, USA?! Trump gegen Biden" von Gudrun Engel findet sich in der ARD Mediathek.